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Typischer Tagesbeginn eines werktätigen Menschen, der abends immer besonders spät zu Bett geht (2.3.1999)

Früh ist es – total früh. Es ist noch ganz besonders doll früh, so richtig superfrüh. Anders ausgedrückt: es ist extrafrüh – mehr megafrüh, gar gigafrüh, urst ultrafrüh – wie soll ich sagen – hyperfrüh oder eben: es ist absolut antispät – so etwa 9 Uhr vormittags – noch vor dem Aufstehen.
Ich liege friedlich ins warme Bettchen gekuschelt und träume meinen Lieblingstraum:
Darin stehe ich immer auf einer grünen, sonnigen Wiese in duftiger Sommerluft, ein weißer Schmetterling kommt herbeigeflogen, setzt sich in mein Haar und flüstert mir ins Ohr: „Komm, laß uns zusammen die Weltherrschaft erobern, nur wir zwei, du und ich.“
Seine Fühler kitzeln zärtlich meine Kopfhaut, der Lufthauch seiner Flügelschläge streicht sanft durch mein Haar, bis ich den Schmetterling mit flacher Hand plattklatsche.
Der Traum wäre eigentlich noch weitergegangen, doch an dieser Stelle wird er durch das elektronische Damoklesschwert, das über so vielen Träumen schwebt, abgewürgt.
Der Radiowecker springt an und bringt die Nachrichten: Putin will Weltherrschaft, Clinton auch, Bill Gates hat sie bereits, und zwischen den Zeilen gehört, bedeutet es für mich: Du kriegst sie nie. Steh auf und geh arbeiten!
Oh nein, ist das noch superfrühzeitig, bin ich müde, ich brauche dringend Drogen zum Wachwerden, arbeiten gehen muß ich jetzt, ich muß mich sputen. Schnell aufgestanden und losgegangen zum Bäcker, dahin wo’s Kaffee gibt.
Pott Kaffee kostet hier 99 Pfennige – steht draußen dran.
„Einen Kaffee bitte!“ sage ich zur Bäckersfrau. Sie gießt ihn ein, und während sie das Getränk zu mir herüberreicht bemerkt sie: „Mensch, junger Mann. Sie haben ja ’n plattgeklatschten Schmetterling auf der Stirn.“
Mist, ich träum immer noch. Bin noch gar nicht aufgestanden. Jetzt aber wirklich wach werden! Eins, zwei, Hau-Ruck! … Und auf …
Mann, bin ich Müde, ich brauch’ Drogen.
Schnell aufgestanden und losgegangen zum Bäcker, dahin wo’s Kaffee gibt.
Pott Kaffee kostet hier 99 Pfennige – steht draußen dran.
„Einen Kaffe bitte!“ sage ich zur Bäckersfrau. Sie gießt ihn ein, und während sie das Getränk zu mir herüberreicht sagt sie: „Junger Mann, das macht dann 99 Pfennige.“
Ha, ha, sie wollen Geld von mir, alles in Ordnung. Ich bin in der realen Welt, ich bin wirklich wach! Im Augenwinkel trifft mein Blick die Uhr. Es ist schon viel zu spät – eigentlich immer noch terafrüh, aber auf der andern Seite zu spät, um den Kaffe in Ruhe auszutrinken, ich werde ihn mitnehmen müssen.
„Gießen Sie den Kaffee bitte um, in einen Plastebecher“, bitte ich die Frau hinterm Brötchentresen.
„Dann kostet er aber 2.50“, warnt sie mich.
„Hä, wieso denn das? Da steht doch dran, daß er 99 Pfennige kosten soll.“
„Ja, ein Pott Kaffe kostet 99 Pfennige. Ein Pott, junger Mann. Ein Pott aus Porzellan. Da steht nichts von Plastik-Bechern dran.“
Na gut, ich verzichte aus finanziellen Gründen auf den Plastebecher und verlasse die Konditorei mit einem Porzellanpott in der Hand, gefüllt mit Kaffe, der Droge zum Wachwerden.
„Halt bringen Sie den Porzellanpott zurück!“ ruft die Bäckersfrau mir hinterher.
„Mach ich nachher, wenn ich von der Arbeit wiederkomme.“
„Na dann is gut. Bis nacher.“
Ich nehme den ersten Schluck.
Igitt, schmeckt das widerlich, das Zeug. Schmeckt ja wie tote Oma, diese Plörre. Na ja, ist ja nur zum Wachwerden. Mir droht, speiübel zu werden. Ich muß mich überwinden, den Dreck weiterzutrinken. Ich muß es trinken, ich will ja wach werden. Also zwinge ich mich.
Einen Schluck für Mama – halt nein, das kann ich ihr nicht antun, nein, nein. Nicht diesen Kaffee. Also noch mal: Einen Schluck für Putin, einen Schluck für Clinton, und den Rest des Abwassers schütte ich mir für Bill Gates in den Kopf, der ist schließlich an allem Schuld.
Inzwischen bin ich am S-Bahnhof angelangt. Muß ’ne Fahrkarte kaufen. Die Verkäuferin sagt zu mir:
„Mensch junger Mann, Sie haben ja ’nen plattgeklatschten Schmetterling auf der Stirn.“
„Was, echt? So was blödes, ich schlafe immer noch!“
„Nee, nee war nur’n Scherz von mir“, beruhigt sie mich.
„Phu, und ich dacht’ schon.“ Erleichtert kaufe ich eine Porzellanfahrkarte, weil die nur 99 Pfennige, statt 3.90 Mark wie die Pappfahrkarte kostet, fahre damit zwei Stunden S-Bahn, bis ich zufällig in eine Fensterscheibe schaue, worin sich mein Gesicht spiegelt und ich feststellen muß, daß ich doch ’nen plattgeklatschten Schmetterling auf der Stirn kleben habe.
Verdammt! Ich hätte es eigentlich schon bei der Porzellanfahrkarte merken müssen. Die Frau am Schalter hat mich belogen. Hab doch ’nen Schmetterling auf der Stirn. Ich träume also immer noch. Jetzt hab ich wohl echt mal wieder ultradoll verschlafen. Gute Nacht!

 

Theodora präsentiert

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