Micha:

Telefonsex

 

Mir ist langweilig. Schon seit Wochen hat mich niemand mehr angerufen. Ich habe die Klingel schon auf volle Lautstärke gestellt und bewege mich nur noch in unmittelbarer Nähe des Telefons - für den Fall, daß ... Aber keiner ruft an. So geht das nicht. Ich muß mir etwas ausdenken. Zack - schon fertig ausgedacht. In einer Boulevard-Gazette inseriere ich unter der Rubrik "Telefonservice" folgende Annonce: "Die besondere Nummer für sie und ihn - nur normale Gebühren!!" Darunter ganz groß meine Privatnummer.

Eine Woche später erscheint die Annonce und ich setze mich mit einem Stapel Pornohefte ans Telefon und blättere ein bißchen darin herum, um mich fachlich fundiert auf eventuelle Gespräche vorzubereiten.

Die Hefte sind nicht übel, und gerade will ich selber ein bißchen Spaß haben, als es zum ersten Mal klingelt. Ich nehme ab:

"Audio-sexuelle Dienstleistungen aller Art, Ebeling, Guten Abend, was kann ich für sie tun?", melde ich mich forsch.

Die Stimme am anderen Ende fragt, ob bei mir alles geht.

"Ja, selbstverständlich", fahre ich fort, "was hätten sie denn gern?"

"Ich möchte eine blonde Frau mit Riesentitten, schön viel Haare untenrum und ..."

"Und was?", hake ich nach.

"Und", stottert er, "mit nur einem Bein! Haben Sie sowas da?"

Ich lasse meinen Blick durch mein unaufgeräumtes Zimmer wandern. Dann sage ich großzügig:

"Ja, haben wir. Sie können beginnen!"

"Womit beginnen?", fragt er etwas verunsichert.

"Na, Sie können mir jetzt Ihre Phantasien erzählen, stöhnen und ihre Genitalien manipulieren, um sich sexuell zu erregen!"

"Etwa mit Ihnen?", fragt er ungläubig bis entsetzt.

"Ja, was dachten Sie denn!"

"Sie hamse ja nich mehr alle!", läßt er mich noch wissen, dann legt er auf.

Irgendwas muß ich falsch gemacht haben. Ich denke noch über mein letztes Gespräch nach, da meldet sich das Telefon erneut.

"Geschlechtsverkehr und andere Formen der Sexualität, live von Hörer zu Hörer, Ebeling, guten Abend!"

"Wie heißt Du, mein Junge?", will eine verführerische Frauenstimme von mir wissen.

"Michael", antworte ich, "und Sie?"

"Ich bin Gudrun, in mir könnte Dein Prachtstück gut ruhn! Ist Dein Schwanz schon schön hart?"

"Nein, noch nicht", gebe ich zu.

"Na, das wird noch", tröstet sie mich, "wenn Du anfängst, mich zu lecken."

"Wo soll ich Sie denn ablecken, Gudrun, ich darf doch Gudrun sagen?"

"Du darfst alles, Süßer, aber vor allem sollst Du überall da lecken, wo Du Deine Zunge reinstecken kannst!"

"Na gut", lenke ich ein, "ich lecke Sie jetzt! Und ich fühle eine beginnende Erektion, was sagen Sie dazu?"

Aus dem Hörer schlägt mir inbrünstiges Lustgestöhn entgegen. Minutenlang. Das war’s wohl. ;Die habe ich fertiggemacht’, freue ich mich, ;die hat genug’. Ich lege auf. Ich überlege, was ich mit meiner Halblatte anstellen soll, da klingelt es schon wieder.

"Hallo, Sex nach sechs, Ebeling, was kann ich für Sie tun?"

Eine winselnde Männerstimme ertönt:

"Horsti war ein ganz böser Junge."

"So, so", sage ich teilnahmsvoll, was hat denn da der Horsti gemacht?"

"Horsti hat an seinem Pipimann gespielt!", piepst er weiter.

"Hm, hm, das darf der Horsti wohl nicht?", will ich wissen.

"Nein, die Mutti hat’s verboten, aber ich habe mich versteckt."

"Wo bist Du denn, Horsti?"

"Ich habe mich auf der Damentoilette von unserer Betriebskantine eingeschlossen."

"Aha", sage ich, "und jetzt rufst Du mit Deinem Handy an, um mir zu beichten, daß Du mit Deinem Pipimann spielst!"

"Stimmt", gab Horsti zu, "und der ist jetzt schon ganz groß und ich knete an ihm rum, aber nicht der Mutti verraten."

"Das ist aber nicht lieb von Dir, Horsti, dafür solltest Du auf die Finger bekommen."

"Ja", röchelt Horsti, "mit dem Lineal immer auf den bösen Pipimann hauen, bis er den ganzen Eierlikör ausspuckt."

Plötzlich beginnt Horsti mit quiekender Stimme sein Versprechen zu skandieren:

"Ich will’s gewiß nicht wieder tun, ich will’s gewiß nicht wieder tun."

Die Nebengeräusche lassen darauf schließen, daß Horsti sich beim Wichsen mit einem Lineal auf den Pipimann schlägt, dabei fällt ihm vermutlich das Funktelefon aus der Hand. Die Verbindung reißt ab. Ich lege nachdenklich den Hörer zurück. Mann oh Mann, auf was hatte ich mich da nur eingelassen. Klingeling: Ich nehme ab, und ehe mir ein toller Spruch einfällt, höre ich schon eine erregte Männerstimme schreien:

"Mir ist ganz egal, wie Du aussiehst, Du elende Schluckschlampe, ich werde Dir das Maul so vollpumpen, daß Dein Cholesterinspiegel platzt. Man nennt mich den "Klempner", und wenn ich mal so richtig mein Rohr verlege, dann bleibt kein Auge trocken, haha ... !"

Bis hierher hatte ich verblüfft zugehört, doch dann gewinne ich meine Fassung zurück. In eine Pause hinein sage ich:

"Ach, Sie sind Klempner. Na, das trifft sich ja gut. In meiner Küche tropft der Wasserhahn. Ob sie da mal vorbeischauen könnten?"

Der obszön stöhnende, gurgelnde und zotige Prahlhans verstummt augenblicklich. Dann fragt er:

"Wassn los, bin ick nich uff de Sex-Hotlein?"

"Doch, doch", sage ich, "400 17 303, die flotte Nummer für Peniskummer. Aber die Hotline ist mehr so familiär. Sie wissen schon: eine Hand wäscht die andere. Also ich mache Ihnen einen Vorschlag zur Güte: Sie können noch ein wenig über Ihre Vorstellungen von Sexualität erzählen, und danach machen wir einen Termin wegen des Wasserhahns. Einverstanden?"

"Dir hamse wohl verjessen zu verhüten, Du perverse Sau", brüllt er am anderen Ende; dann legt er auf. Ich tu das auch und denke an den tropfenden Wasserhahn. Schade, daß der Herr nicht zur Zusammenarbeit bereit war, ich hätte noch einiges für ihn zu erledigen gehabt. Mein "Dienstapparat" schellt:

"Stöhnen und Verwöhnen, Abspritzagentur Ebeling, Hallo."

"Hallo, mein Junge, hier ist Mutti, was hast Du eben gesagt?"

Ich verschlucke mich leicht. Räusper, räusper.

"Ha-Hallo, Mutti: Ich habe gesagt Verschönen und Verwöhnen. Ich arbeite zur Zeit für eine Art Telefonseelsorge."

"Ach so".

Sie war beruhigt.

"Wie geht`s denn, mein Junge?"

"Ach gut Mutti."

"Na fein, ich wollte bloß mal durchklingeln, ob alles in Ordnung ist. Nicht, daß Du noch auf komische Gedanken kommst. Ich kenne Dich doch, wenn Du Dich langweilst, schreckst Du vor nichts zurück."

"Nö, nö, alles okay, hab viel zu tun und schlafe nachts wie ein Stein."

"Übrigens, mein Junge, im Fernsehn war neulich eine Sendung über Telefonsex, weißt Du, was das ist?"

"Nein, Mutti, was denn?"

"Na, das ist, wo man anruft und viel Geld bezahlt. Und über Sex spricht. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß da jemand anruft, Du etwa?"

"Nein, Mutti, keine Ahnung, wozu sowas gut sein soll. Ich muß jetzt Schluß machen. Danke für den Anruf. Gute Nacht."

Ich lege auf, und es läutet. Ich ziehe den Stecker aus der Telefonbuchse.

 

Theodora präsentiert

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