Knud Wollenberger:

Warenhaus / Einkauf

Schlurf, schwank, schlurfe so – durch das Warenhaus, die Rolltreppe runter eine Gefahrenquelle, festgehalten am mitlaufenden Gummigeländer, Menschen abwärts, die überholen, aufwärts, Fische hinter kaum erkennbarem Glas, kommunizieren miteinander, weichen Begegnungen aus, wie wir, wir, so Fische hinter dem Glas, manche jappen nach Luft, Blasen stoßen sie aus, durch die Kiemen, wie vermehren sie sich, haben wir Kiemen, etwas Mund, eine Stimme, reden sie, er wußte es nicht, reden wir, wirklich: Katzenstreu, Blumenerde, ja, dreihundert Gramm bitte. Darfs etwas mehr sein? Haben sie noch einen Wunsch? Reden wir wirklich, er wußte es nicht, ist das Reden, so? Haben sie noch einen Wunsch, bitte, aber gern, macht Siebenmarkundfünfzig. Ihr Wechselgeld, die Quittung, bitte. Ist es das, worum es geht, und die Sprache, das? Schönen Dank für Ihren Einkauf Darf ich ihnen das in ihren Beutel tun?

Er war bei den Kühltruhen angelangt, starrte auf nackte Haut von Geflügel, überzogen von dünnem durchsichtigem Plast, feiner als die Oberfläche des Fernsehers, Buchstaben darauf ausgedruckt, Worte, eine Schrift, das Geflügel hat doch aber kein Geschlecht, oder? Ein malerischer Bauernhof, angedeutet, in grüner Sehnsuchtslandschaft. Dennoch war ihm, es sei weiblich. Es, das Geflügel. Wie die blondierte Verkäuferin, weiblich. Da stand er, wußte nicht, warum weitergehen, war er bekifft, schwer auf Pilzen, war es das Alter, Alter, diese graue Naturdröhnung, stoned forever. Ja, hatte sich die Umgebung verändert, lediglich einzig die Umgebung, der Schwierigkeitsgrad des nächtlichen Computerspieles, angewendete Philosophie, je mehr Punkte Du sammelst, um so schwerer die Hindernisse, bis sie unüberwindlich sind, das Spiel geht so, es fesselt, keiner, der gewinnt, einige Zeit bist Du dabei, und das ist alles, irgendwann machst Du zuviel Fehler, und raus, wer schießt mir das durch den Kopf? Wer? Umgebung oder Körper, wir, Wimpertierchen alle, wir, im Lichtzwang, aufwärts, als hätte die Brühe eine Oberfläche. Irgendwo kommt die Heiligkeit doch her. Das ist es: Von allen Seiten. Hier. Keine Sonne, aber Licht.

Schlurf, weg von den Hühnerkarkassen, Pizza Margarita, Pizza Vesuvo, Pizza Diavolo, schlurf, Fischstäbchen, Rahmspinat, gemischtes Gemüse, Blumenkohl, gefrostete Chips, Obsttorten, Eis, natürlich, gefroren, Sahnetorten, Nasi Goreng, Großgarnelen, schlurf, schwank, ah, Schwarzwälder, die hab ich gesucht, da liegt sie, ganz unten, natürlich, wo mir das Bücken schwerfällt, Kartoffelsuppe, blitzgefrostet mit Wurst, schmackhaft, lecker steht auf der Verpackung, lecker mit Natriumglutamat, Polar, Iglu, Nordpol, Gletscher. Geschmacksverstärker. Na. Hallo, hallo, Fräulein, seien sie so freundlich, in den Korb, ja, nein, danke. Das die die Suppe immer so weit unten, – nein, kaufen doch nur Rentner und so. Tag, Frau Hölz. Wies mir geht, na sie sehn ja, muß ja, jaja, nein, die Kinder könnten öfter kommen, haben eigene Sorgen, hab ich auch von gelesen, schrecklich, na, man traut sich ja gar nicht mehr auf die Straße alleine, und Nachts erst, sie auch, bis zum nächsten mal, ach, ihr Hund ist eingeschläfert, hat sich nur noch gequält, der Rex, eine Erlösung, hat nicht mal, einfach zu atmen aufgehört, als der Arzt die Spritze, verblödete alte Ziege. Eingeschläfert, nur noch gequält. Selber.

Das Schnapsregal, soviel neue Sorten, ob ich wohl meinem Schriftsteller zu nem Produktplacement verhelfen kann? Schlurf, schlurf, lange Regalwand. Soviel flüssiges Glück. Mit sofortiger Wirkung: was wünschen wir uns: Heute Magenbitter: Jägermeister, Sie haben eine Flasche Jägermeister gewonnen, bitte sofort unauffällig in die linke Manteltasche stecken! Ja, geschafft, Meister Propper, wieder ein Sonderangebot, 100 Punkte!!! Jetzt verkaufen sie das ganze Jahr Ostereier und Weihnachtszeugs, na, warum nicht. Anything goes! Milch, Gesundheitstee, Hustenbonbons. Das reicht, finden sie nicht auch? Alle Tage Party! Und nur eine Kasse besetzt. Anstehen wie bei ALDI. Preise wie im KaDeWe. Tief durchatmen, schlurf. Bitte legen sie die Ware aufs Band. Dreiundzwanzigmarkneununddreißig, ich bin ja unbeholfen, so gebrechlich, hilfebedürftig, außerdem rieche ich doch nach Knoblauch: Ob sie mal das Geld aus dem Portemonnaie nehmen, danke, Frollein, Tüte, Tüte hab ich selber …

 

Theodora präsentiert

Zurück zur Startseite